Liebe Schwestern und Brüder!
Am vergangenen Montag war in Leitershofen ein Priestertag zusammen mit unserem Bischof. Ich habe mich am Morgen mit dem Auto auf den Weg gemacht. Auf einmal fuhr ein größerer Bus vor mir her. Ich fragte mich schon, warum denn dieser Bus so langsam fährt und warum er so lange braucht bis er um eine Kurve kommt? Ist denn der Fahrer so unbeholfen? An einer Kreuzung blieben wir hintereinander stehen. Bei dieser Gelegenheit las ich hinten am Bus die Aufschrift: „Bitte haben Sie Geduld mit uns – wir sind noch beim Lernen“. Da war mir alles klar. Das ist ja eine Bus-Fahrschule.
- Es dauerte nicht lange, bis mir der Gedanke kam, dass doch unsere Kirche auch wie so ein großer Bus ist, der schwer auf der Straße des Lebens liegt. Die einen rufen im Bus danach, dass die Fahrt schneller gehen soll. Sie möchten vorankommen. Die anderen jammern, dass die Fahrt zu schnell geht – sie möchten gerne bremsen und zurück fahren. Manche steigen bei der nächsten Gelegenheit aus, weil sie mit dem „Busunternehmen Kirche“ nicht mehr reisen möchten. Und wieder andere interessieren sich kaum und schlafen während der Fahrt… Auch diesen Bus der Kirche könnten wir mit der Aufschrift bedrucken. „Bitte haben Sie Geduld mit uns – wir sind noch am Lernen“. Und damit sind wir bei einem ersten Aspekt des Pfingstfestes. Der Heilige Geist wird der Kirche gesandt, um sie zu lehren und immer tiefer in die Wahrheit hineinzuführen. Jesus betont das, wenn er uns heute im Johannesevangelium sagt: „Der Beistand aber, der Heilige Geist,…der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14, 26). Kirche als Lerngemeinschaft des Heiligen Geistes! Könnten wir so die Kirche nicht wesentlich entspannter und verständnisvoller sehen? Wir müssen heute und morgen keine fertigen Christen sein. Wir dürfen ein Leben lang lernen, was es bedeutet, Christ zu sein. Und dabei dürfen wir auch Fehler machen – angefangen vom einfachen Christen über den Pfarrer und den Bischof bis zum Papst. Wir dürfen Fehler machen. Denn Fehler gehören auch zum Lernen dazu. Und aus Fehlern lernt man – hoffentlich auch in unserer Kirche!
- Schließlich kommt noch ein zweiter Aspekt des Pfingstfestes dazu. Lernen gelingt doch am besten, wenn beide – der Lehrer und der Lernende – Feuer und Flamme für eine gemeinsame Sache sind. In mir selber muss brennen, was ich in anderen Menschen entzünden möchte. Vom Geist Gottes, der wie Feuer wirkt, erzählt uns die Lesung vom Pfingstereignis aus der Apostelgeschichte (Apg 2, 1-11). Nur wenigen Leute – Maria, die Apostel und noch einige andere Frauen und Männer – waren offen für dieses Feuer des Geistes. Sie waren Feuer und Flamme für Jesus und seine Frohe Botschaft. Deshalb konnte der Funke überspringen und sie konnten andere Menschen in Jerusalem begeistern. Es kommt also auch heute nicht zuerst auf viele gute Bücher an, die über den Glauben geschrieben werden. Auch Pastoralpläne und Erlasse aus Rom sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Es kommt auch heute auf konkrete Menschen an, auf Christinnen und Christen, die Feuer und Flamme sind für ihren Glauben. Auch wir – Sie und ich – haben diese Berufung durch die Sakramente der Taufe und Firmung. Und wir können diese Berufung in den unterschiedlichen Lebensbereichen verwirklichen, in denen wir leben. Wäre das nicht toll, wenn die Menschen um uns herum spüren, dass in uns die Freude an Gott brennt?
- Einen dritten Aspekt von Pfingsten möchte ich noch betonen. Dabei komme ich wieder zu meinem Omnibus. Das lateinische Wort „Omnibus“ heißt übersetzt einfach „für alle“. Ein Omnibus soll eben alle, die mitfahren möchten, mit auf den Weg nehmen. Gute Lehrer nehmen auch möglichst alle Schülerinnen und Schüler mit auf den Weg des Lernens. Von allen ist auch in der Pfingstgeschichte die Rede: „Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort“ (Apg 2,1). Und am Ende dieser Geschichte ist von den vielen Völkern die Rede, die trotz aller Unterschiede, nun die gemeinsame Sprache des Geistes verstehen und mit auf den Weg des Glaubens genommen werden – Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien usw. … (vgl. Apg. 2, 9-11). Der Geist Gottes kommt auf alle herab und nimmt sie mit auf den Weg. Aber dieser Geist ist nicht langweilig und eintönig, sondern vielfältig und lebendig. Eine solch bunte Gemeinschaft, die die Freude am Glauben in unterschiedlichsten Farben zum Leuchten bringt, darf unsere Kirche sein. Deshalb haben in diesem Bus der Kirche auch alle ihren Platz: die, die schneller nach vorne kommen möchten und auch die, die daran erinnern, dass man doch gelegentlich in den Rückspiegel schauen und das Bremspedal benutzen muss; die, die genau auf dem Navi oder auf der Karte schauen, wohin die Reise geht – und auch jene, die sich einfach so mitnehmen lassen. Und auch jene sind wichtig, die diese Busfahrt des Glaubens mit ihrem Gebet begleiten und dadurch die Antenne auf Gott ausrichten.Liebe Schwestern und Brüder, wäre das an Pfingsten nicht ein schönes und menschenfreundliches Bild der Kirche? Die Kirche als Lerngemeinschaft des Geistes, in der Menschen Feuer und Flamme werden für Jesus und in der möglichst alle mit auf den Weg des Glaubens genommen werden! Und natürlich muss über dieser Kirche der ehrliche Satz stehen: „Bitte haben Sie Geduld mit uns – wir sind noch am Lernen!“ Amen.
Pfarrer Ralf Gössl