Predigt am 1. Adventssonntag

„Jetzt wird’s aber endlich Zeit!“

Das, liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendlichen, haben   wir alle schon einmal gehört: „Jetzt wird’s aber endlich Zeit!“ – Dass du dein Zimmer aufräumst; dass du für die Schule lernst; dass du deine Arbeit machst; dass du für das Wochenende einkaufst… Wie eine lange Litanei könnten wir das fortsetzen: „Jetzt wird’s aber endlich Zeit!“

„Jetzt wird’s aber endlich Zeit!“ – Dieses Wort wird uns vielleicht auch manchmal im Advent begegnen. Irgendwann wird es ja auch Zeit, dass wir den Christbaum kaufen; uns überlegen was wir an den Feiertagen kochen möchten und was eben sonst noch für das Fest nötig ist. Insbesondere für die Geschenke wird es für manche noch kurz vor Heilig Abend Zeit…  Auch innerhalb der Kirchenmauern wird es Zeit: die Weihnachtsgottesdienste vorzubereiten; die Kirchen zu schmücken und für die musikalische Gestaltung zu proben.

„Jetzt wird’s aber endlich Zeit!“ – So setzen wir andere Leute unter Druck und so werden wir auch selber unter Druck gesetzt!

Auch für den Apostel Paulus wird es endlich Zeit. Im Römerbrief (Röm 13,11-14a) schreibt er: „Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf“ Und er nennt auch den Grund für dieses Aufstehen: „Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe“. Wir Christen sollen also keine Schlafmützen sein. Vielmehr sollen wir aufstehen vom Schlaf, weil wir an Christus glauben. Und weil dieser Glaube an Christus für uns wie ein Licht ist, ein Licht, das wir durch unser Leben aus dem Glauben an andere Menschen weitergeben dürfen. Dabei setzt uns aber Paulus nicht unter Druck. Ganz am Anfang dieses Textes sagt er nämlich: „Bedenkt die gegenwärtige Zeit“. Wir sollen also nicht loshasten; nicht aus der Puste kommen und uns stressen. Vielmehr sollen wir die Zeit bedächtig angehen und auch den Mut zur Langsamkeit haben.

Liebe Schwestern und Brüder, mir gefällt dieses „Bedenkt die gegenwärtige Zeit“ viel besser als das „Jetzt wird’s aber endlich Zeit!“ Besonders am Anfang des Advents tut uns doch diese Aussage gut. Wir alle wissen doch, dass der Advent oft eine sehr fordernde Zeit ist und dass er auch für viele Menschen mit Stress verbunden ist.

Ich bleib wieder beim Text des Apostels Paulus hängen. Er spricht vom Bedenken der Zeit und vom Aufstehen vom Schlaf… Es ist immer besser, behutsam und bedächtig aufzustehen. Wer ganz schnell aufsteht und aus dem Bett schießt, dem wird schwindelig oder gar schlecht. Deshalb ist es gut, vor dem Aufstehen mal ruhig auf der Bettkante sitzen zu bleiben und mal durchzuatmen, bevor man aufsteht.

Liebe Schwestern und Brüder, könnte vielleicht die Bettkante zu einem unserer wichtigsten spirituellen Orte werden? Einfach mal auf der Bettkante ruhig sitzen zu bleiben, wenn ich ins Bett gehe. Ruhig durchzuatmen; ein klein wenig über den zu Ende gehenden Tag nachzudenken; vielleicht in einigen freien Worten den Tag Gott anvertrauen; vielleicht noch einen kurzen besinnlichen Text, ein Gebet oder einen Abschnitt aus der Bibel lesen. Und vielleicht wäre das auch am Morgen eine gute Möglichkeit, den Tag ruhiger anzugehen. Auch nochmal auf der Bettkante sitzen zu bleiben und den neu beginnenden Tag besinnlich, ruhig und im Gebet zu beginnen. Und bewusst auch alle Menschen zu segnen, denen wir an diesem neuen Tag begegnen werden. Eine Spiritualität der Bettkante wäre so eine Möglichkeit ruhiger ins Bett und ruhiger in einen neuen Tag zu kommen. Das wäre wie eine Entschleunigung der Zeit, die uns allen geistlich, körperlich und seelisch gut tun könnte. Dabei brauchen wir keine Leistung zu erbringen und gar nicht auf die Zeit zu schauen. Fangen wir mit wenigen Minuten an. Wenn wir spüren, dass uns eine solche Zeit gut tut, dann schenken wir uns selber sicher noch mehr Zeit.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn ich nun sagen würde, dass es im Advent 2016 nur noch ruhige Tage für uns geben soll, dann würde ich uns alle überfordern.  Auch im Advent 2016 wird es manche Hektik und manchen Stress geben. Und sicher werden viele – vielleicht auch ich – einmal sagen: „Jetzt wird’s aber endlich Zeit!“ Denken wir aber nochmal an den Apostel Paulus. Er spricht nicht davon, dass immer gleich alles sofort gelingen muss. Er spricht vielmehr vom Bedenken der Zeit und vom Aufstehen vom Schlaf. Wer den Tag bedenkt und wer vom Schlaf aufsteht, der hat den Tag noch nicht gelebt. Wer aber die Zeit bedenkt und vom Schlaf aufsteht, der setzt einen positiven Neubeginn. Und zu einem solchen Neubeginn lädt uns der Advent ein.

Wir alle dürfen die Zeit bedenken und vom Schlaf aufstehen, weil der Herr die Zeit mit uns lebt und wir ein ganzes Leben lang, ihm, dem Licht der Welt entgegengehen.  Amen

Pfarrer Ralf Gössl

 

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