Die Pfarrkirche Maria, Königin des Friedens lebt ganz vom Licht, das von der großen Fensterfront im Osten – aber auch durch viele kleinere Fenster aus den anderen Himmelsrichtungen – in sie einströmt. Das Innere der Kirche kann in den verschiedensten Stimmungen zu erfahren sein – von kalt und grau bis hin zu warm und hell. Ein Spiegelbild menschlichen Lebens eben! Manchmal kann man auch ganz interessante Licht- und Farbenspiele beobachten.
Ein solches Spiel mit dem Licht durfte ich ganz zufällig am 26. Februar 2016 an der Marienfigur in der Taufkapelle erleben und ich habe gleich versucht, es mit dem Handy einzufangen – soweit mir das möglich war.
Nach dem Tod des früheren Pfarrers Manfred Trettenbach wurde die Marienfigur, die Ende der 60er Jahre Reinhold Grübl geschaffen hatte und die sich im ehemaligen Pfarrhaus befand, in der Taufkapelle aufgestellt. Sie ist eine ganz eigene Darstellung der Gottesmutter und nicht vergleichbar mit den „Schönen Madonnen“ der Gotik, den prachtvollen Königinnen der Barockzeit oder den lieblichen Darstellungen der Nazarener-Kunst. Sie erscheint nüchtern, auf das Wesentliche konzentriert und in einem ziemlich modernen Kleid. Gegen Ende der 60er Jahre wurde diese Darstellung sogar als anstößig empfunden und deshalb nicht in der Kirche aufgestellt.
Anstößig – bei diesem Wort bleibe ich hängen! Anstößig kommt von Anstoß. Anstoß geben – das soll doch die Kunst, auch die christliche Kunst. Deshalb braucht es nicht nur Darstellungen, die wir als „schön“ bewundern oder die uns in ihrer Harmlosigkeit kaum berühren. Es braucht auch die Bilder, die uns Anstöße vermitteln, die uns aufregen oder auch bewegen…
Wer diese Marienfigur ansieht, entdeckt etwas, was gerade in den 60er Jahren als anstößig empfunden wurde. Maria hält das kleine Baby in den Armen und ist gleichzeitig schwanger. Man könnte nun der Frage nachgehen, ob es möglich ist, dass eine Frau mit einem solch kleinen Baby bereits erneut – und sehr deutlich sichtbar – schwanger sein kann? Nun kann ich den Künstler nicht mehr fragen, was er sich mit dieser Art der Darstellung gedacht hat, da er schon vor längerer Zeit verstorben ist. Vielleicht ist es eine Darstellung von zwei Momenten in einem Bild, wie es in der christlichen Kunst immer wieder vorkommt? Von daher könnte ich diese Art der Darstellung im Hinblick auf uns Christen und im Hinblick auf die Kirche deuten. Ein Blick in die Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, Lumen Gentium, kann uns da wertvolle Impulse vermitteln. Maria wird in diesem Dokument als das Urbild der Glaubenden und als das Bild der Kirche bezeichnet (vgl. LG 8). Maria hat auf das Wort Gottes gehört, sie hat ihm Raum gegeben in ihrem Leben und sie hat Jesus – Gottes Wort in Person – zur Welt gebracht. Die Kirche als Gemeinschaft sowie jede Christin und jeder Christ persönlich sollen auch „schwanger“ gehen mit dem Wort Gottes. Dieses Wort Gottes soll in uns und durch uns Raum gewinnen und wachsen. Gleichzeitig aber haben wir auch die Berufung, das Wort Gottes zur Welt zu bringen und den Menschen Christus zu zeigen. Wollte der Künstler vielleicht alle diese Aspekte gleichzeitig in einem Bild zum Ausdruck bringen?
Als Maria mit den verweinten Augen habe ich diese Figur schon mal bezeichnet. Sicher hat Maria immer wieder geweint – in der Sorge um ihr Kind und unter dem Kreuz ihres Sohnes. Und als eine „Königin des Friedens“ müsste sie auch heute eine Weinende sein. Der Zustand unserer von Krieg und Terror verwundeten Welt sowie das Schicksal der vielen Menschen, die zu Opfern werden oder auf der Flucht sind, muss ihr – wie vielen anderen Leuten unserer Zeit – die Tränen in die Augen treiben. Aber auch bei dem ganz unterschiedlichen Leid, das viele Menschen im persönlichen Leben aushalten müssen, steht sie als Mitfühlende und Weinende an unserer Seite. Mit den verweinten Augen steht Maria da und schaut in die Ferne – wie wenn sie, die einfache Frau aus Nazaret, das ganze Leid der Menschheitsgeschichte in den Blick nehmen möchte.
Gleichzeitig aber hält Maria ihr Kind liebevoll in den Armen. Schließlich braucht dieses Kind Geborgenheit und Liebe, wie die vielen anderen Kinder in unserer Welt auch. Es scheint mir aber so, dass Maria ihr Kind auch dieser verwundeten und geplagten Menschheit zeigen möchte: „Schaut her! In meinem Kind, das ich in den Armen halte, ist Gott selber Euer Weggefährte und Leidensgenosse geworden. Mein Sohn hat für und mit Euch das menschliche Leben geteilt. Er hat sich sogar verwunden lassen und den Tod auf sich genommen. Schaut her, kommt her… In der Beziehung zu Jesus dürft Ihr Trost, Heilung und Ermutigung erfahren!“
Durch die Sonne, die zu diesem Zeitpunkt aus den Fenstern an der Westseite in die Kirche strömte, wurde um die Marienfigur herum das Licht- und Schattenspiel möglich. Maria steht da als Frau aus dem Volke, wie es in einem Marienlied heißt. Als solche ist sie hineingestellt in die Licht- und Schattenseiten menschlichen Lebens. Sie ist unsere Schwester im Glauben und im Leben. Aber Maria ist auch eine Frau im Licht. Dieses Leuchten kommt von dem Sohne dein, so heißt es in einem anderen Marienlied.
Ich empfinde es als sehr tief und schön, dass diese Marienfigur jetzt in der Taufkapelle unserer Kirche steht. Für viele Kinder beginnt dort im Sakrament der Taufe der Weg mit Christus. Vom Licht des Herrn begleitet soll dieser Weg einmal einmünden in das Licht, das keine Nacht mehr kennt. Dabei ist doch auch Maria, die selber vom Leben gezeichnet ist und bei allem das Licht des Glaubens bewahrt hat, eine gute Weggefährtin.
Maria, du bist eine hörende Frau
und hast so vieles in deinem Herzen bewahrt.
Du gehst schwanger mit dem Wort Gottes und bringst es zur Welt.
Wir verehren dich als Mutter des Herrn,
als Mutter der Glaubenden und als Schwester der Menschen.
Maria, du Schwester der Menschen.
Schau mit deinen Augen
auf unsere Welt
und auf unser Leben.
Weine die Tränen der Menschheit mit
und trage uns durch dein Gebet.
Maria, du Mutter der Glaubenden.
Ermutige uns, dem Wort Gottes Raum zu geben
in unseren Gemeinden
und im persönlichen Leben.
Hilf uns dabei, das Licht des Glaubens zu bewahren
und aus einer inneren Freude an Gott zu leben.
Maria, du Mutter des Herrn.
Zeige uns Jesus als den Grund unserer Hoffnung
und unseres Trostes.
Bete mit uns um den Frieden in unserer Welt,
um den Frieden in unserer Stadt
und um den Frieden in unseren Herzen.
Pfarrer Ralf Gössl