Liebe Mitchristen!
Was fällt denn Jesus da ein, so könnten wir heute sagen. Ohne Maske und ohne die nötigen Abstandsregeln einzuhalten tritt er in die Mitte seiner Jünger. Und dann haucht er sie auch noch an und sagt zu ihnen: „Empfangt den Heiligen Geist!“ (vgl. Joh 20, 22).
Ja – diese Begegnung ist hoch-ansteckend. Es ist aber keine krankmachende Ansteckung mit einem Virus sondern eine Ansteckung mit dem guten Geist Gottes, eine Ansteckung mit dem Leben! Wir dürfen Jesus nicht auf Abstand oder Distanz halten. Es gibt keine Mauern oder verschlossenen Türen, die ihn aufhalten können.
Der Evangelist Johannes überliefert uns diese Szene. Jesus haucht seine Jünger an und übermittelt ihnen so den Heiligen Geist. Nur wenige Worte und eine ganz schlichte Geste. Eigentlich ein sehr einfaches und zurückhaltendes Bild vom Heiligen Geist. Der Heilige Geist als Hauch. In diesem Bild aber kommt so viel Wesentliches und Tiefes zum Ausdruck. Denn ohne Lebenshauch, ohne Atem, kann niemand leben. Bereits auf den ersten Seiten der Bibel wird dieses Bild verwendet, wie Gott dem Menschen den Lebensatem in die Nase bläst (Gen 2,7). Dieser Lebensatem macht den Menschen zu einem lebendigen Wesen. Ein Leben lang wird er ein- und ausatmen. Jesus hat seinen Jüngern und uns allen sein Leben eingehaucht.
Es ist wichtig, dass wir uns selber Zeiten des Aufatmens schenken lassen. Dann können wir auch wieder mit mehr Kraft und Energie an die Arbeit gehen. Genauso wichtig ist es für uns Christen, immer wieder den frischen Sauerstoff des Heiligen Geistes in uns einzuatmen. Der Heilige Geist ist der Atem Gottes. Wir sind von ihm umgeben und in ihn eingetaucht. Er ist wie die Luft, die uns umgibt und ohne die wir nicht leben können. Wir brauchen Zeiten des Aufatmens bei Gott, um den Heiligen Geist in uns einzuatmen. Das zeigt uns, wie wichtig für uns die Begegnung mit Jesus ist, von der uns das heutige Evangelium erzählt. Wir dürfen Jesus immer wieder hereinlassen in die Mitte (vgl. Joh 20,19) – in die Mitte unseres Gebetes und unserer Gottesdienste. Im Hören auf sein Wort öffnen wir uns der erfrischenden Brise seines Heiligen Geistes. Zeiten des Betens können so Zeiten zum Aufatmen werden, Zeiten, um frische Luft zu schnappen beim Herrn. Wir können dabei die Form des Betens suchen, die uns selber gut tut. „Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete“ – so heißt es in einem unserer bekannten Kirchenlieder (Gl. 422,3). Dieser Atem Gottes verleiht uns die Lebensenergie, die wir für unser Christsein im Alltag brauchen. Er erfüllt uns mit Lebenskraft, um in den unterschiedlichen Bereichen als Christen zu leben und unsere Welt positiv zu gestalten. Er schenkt uns aber auch die nötige Ruhe, damit wir nicht außer Atem kommen.
Liebe Mitchristen, Pfingsten ist zusammen mit Ostern und Weihnachten eines der drei Hochfeste des Kirchenjahres. Gleichzeitig aber ist es das Fest mit den wenigsten Äußerlichkeiten. Es gibt keinen Adventskranz und keinen Christbaum; keine Palmbuschen; keine Speisenweihe; keine Osterlämmer oder Ostereier… Alles, was an Pfingsten da ist, ist ein Hauch von Jesus.
Ein Hauch von Jesus – damit ist aber alles Wesentliche in wenigen Worten auf den Punkt gebracht. Pfingsten braucht keine großen Äußerlichkeiten. Der Hauch von Jesus genügt, der Hauch von Jesus ist alles, der Hauch von Jesus lässt uns leben.
Pfarrer Ralf Gössl